Filderstädter Schriftenreihe zur Heimat- und Landeskunde, Band 13


Die Tierwelt am Steppach-Stausee in Bernhausen

Eberhard Mayer
Biotopkartierer Filderstadt

Der Steppach- oder Flughafen-Stausee in Bernhausen ist ein aufgestautes Gewässer inmitten einer landwirtschaftlich, verkehrs- und freizeitmäßig stark genutzten Landschaft auf der Filderebene.

Als "Rahmenbedingungen" sind zu nennen:

  1. Westlich, südlich und östlich ausgeräumtes, intensiv genutztes Ackerland.

  2. Nördlich in ca. 150 m Entfernung der stacheldrahtgesicherte, hohe Zaun des Landesflughafens.

  3. Direkt an der Einflugschneise gelegen, dringen regelmäßig starker Fluglärm und immer wieder Kerosingeruch herüber.

  4. Bis vor vier Jahren ein stark belastetes Gewässer, das vor allem durch ungeklärtes Oberflächenwasser sowie Enteisungsabwasser des Flughafens verschmutzt wurde.

  5. Nicht zuletzt: ein beliebtes Naherholungsziel für Spaziergänger und Radfahrer, wo auch Freizeitaktivitäten wie Modellboot-Fahren oder im See schwimmende Hunde keine Seltenheit sind.

Angesichts dieser denkbar schlechten Voraussetzungen für diesen Lebensraum müsste man eigentlich erwarten, die sei sicherlich kein Gewässer, an dem eine einigermaßen intakte Tierwelt sich entwickeln und halten kann.

Die Wirklichkeit sieht aber Gott sei Dank etwas freundlicher aus: tatsächlich ist der Steppach-Stausee am Flughafen ein für die Vogelwelt lokal bedeutendes Gebiet; auch für Fledermäuse und Amphibien stellt er als (Sommer-)Lebensraum und Laichgewässer einen wichtigen Trittstein zum Überleben von Populationen oder zumindest zur zeitweiligen Besiedlung und Reproduktion in der ausgeräumten und an Stillgewässern armen Filderebene dar! Dies ist deshalb möglich (geworden), weil von den genannten Tierarten der zwar laute, aber stetige Fluglärm offensichtlich nicht als stark störend empfunden wird und weil die Gewässergüte des Sees in der jüngeren Vergangenheit durch gezielte Maßnahmen an den Zuflüssen erheblich verbessert wurde.

Während der letzten 15 Jahre, in denen ich Beobachtungsdaten vor allem zur Vogel- und Amphibienwelt aufschrieb und kartierte, war ich immer wieder überrascht über die Artenvielfalt, die der aufmerksame und geduldige Beobachter hier über die Jahre hinweg finden kann. Dies hängt sicher damit zusammen, dass wir hier auf der Filderebene unseres Stadtgebiets sonst kein größeres Stillgewässer vorweisen können und somit der Steppach-Stausee für uns eine erfreuliche Rarität in der relativ kahlen Ackerlandschaft darstellt. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass die Bestandszahlen der hier vorkommenden Tierarten eher bescheiden sind und sich natürlich nicht mit dem Artenreichtum im Neckartal (speziell den Wernauer Baggerseen) auch nur annähernd messen können.

1. Die Vogelwelt

a. Wasservögel

Bei den Wasservögeln kann man beobachten, dass der Stausee nur relativ wenigen Arten als Brutplatz dient. Andererseits finden wir wohl nirgendwo sonst auf den Fildern so viele unterschiedliche und teils seltene Durchzügler, die im Frühjahrs- oder Herbstzug mehr oder weniger kurz und in geringer Zahl hier rasten. Solange der See im Winter eisfrei ist, kann man mit etwas Glück auch seltenere Wintergäste antreffen.

Brutvögel: regelmässig brüten hier Stockente, Blässhuhn und erfreulicherweise auch der bedrohte Zwergtaucher. Das Teichhuhn ist seit 1997 nur noch unregelmässiger Brutvogel; im Jahr 1996 brütete sogar ein Reiherenten-Paar.

Als Nahrungsgäste während des gesamten Jahres finden sich - wohl aus dem Neckartal kommend - einzelne Graureiher ein, die im See oder der näheren Umgebung nach Fischen, Amphibien oder Mäusen suchen. Seltener kommt die Gebirgsstelze, hin und wieder auch ein Eisvogel zur Nahrungsaufnahme hierher.

Stattlich ist die Artenzahl der Durchzügler und Wintergäste, welche Vogelbeobachter in den letzten 10 - 20 Jahren feststellen konnten. Meist handelte es sich allerdings nur um einzelne Exemplare, Paare oder sehr kleine Trupps.

Fast alle mitteleuropäischen Entenarten rasteten am Stausee: Tafel-, Reiher-, Krick-, Knäk-, Schnatter- und sogar Löffel-, Pfeif-, Schell- und Spiessente wurden als Raritäten hier gesehen.

Andere Wasservogelarten wie der Kormoran, Höckerschwan, Wasserralle, Haubentaucher und sogar der sehr seltene Schwarzhalstaucher nutzten in seltenen Fällen den Stausee als "Zwischenstopp" während des Durchzugs. Dagegen kann man Rohrammern und Lachmöwen fast alljährlich in der Zugzeit beobachten.

Von den Watvögeln (Limikolen) sieht man Flussuferläufer in jedem Frühjahr und Herbst am Ufer entlang trippeln. Nicht so regelmässsig ziehen Grünschenkel, Bekassine und Waldwasserläufer hier durch. Sehr seltene Gäste waren Bruchwasserläufer, Flussregenpfeifer, Kampfläufer und Rotschenkel. Als das Wasser des Stausees im Herbst 1995 abgelassen wurde, erschienen mehr Watvögel als in üblichen Jahren. Sogar ein Großer Brachvogel und mehrere Zwergstrandläufer tummelten sich im "Wattenmeer auf den Fildern"!

b. Landvögel

Von den grösseren Vogelarten sind vor allem die Greifvögel zu nennen, welche die Ufergehölze am Stausee zum Ansitz nutzen oder über dem Wasser bzw. in der näheren Umgebung majestätisch ihre Kreise ziehen. Während Mäusebussard und Turmfalke regelmässig anwesend sind, jagt der Sperber seltener entlang des Ufergebüschs. Auch Milane suchen von Zeit zu Zeit die Umgebung des Sees auf; noch seltenere Gäste sind Baum- und Wanderfalke, die schon bei der Jagd auf Kleinvögel und sogar Fledermäuse (!) in Einzelfällen hier beobachtet wurden. Als seltene Durchzügler wurden Rohr-, Korn- und Wiesenweihen gesichtet.

Ab und an verstecken sich Rebhühner im Altgras des Ufersaums, der den Stausee umgibt. Während Mauersegler im Luftraum über dem See keine Seltenheit sind, "verirren" sich hin und wieder Buntspechte zu den Pappeln und Weiden am Gewässerrand. Ein Kuckuck wurde 1997 am Stausee beobachtet.

Verschiedene Singvogel-Arten finden ihren Lebensraum am oder über dem See, vor allem in den angrenzenden Sträuchern und Bäumen. Dazu gehören hauptsächlich Schwalben, Stelzen, Grasmücken, Drosselarten, Meisen, Stare, Rabenvögel und Finken.

Erwähnt werden sollen hier diejenigen Singvogelarten, die weniger häufig an den Stausee kommen: Während Wiesenpieper und Rohrammer nur durchziehen, brüten Sumpfrohrsänger, Gelbspötter und überraschenderweise in den beiden letzten Jahren auch eine Nachtigall im Ufergebüsch. Einzelne Beobachtungen gab es von Dorngrasmücke, Girlitz, Grauschnäpper und Neuntöter (mit Brutnachweis 1991!). Im letzten Frühjahr sang ein Pirol auf den hohen Pappeln am Südufer des Sees.

Dass das Gebiet um den Steppach-Stausee schon seit langem lokale Bedeutung für die Vogelwelt hat, beweisen nicht nur die oben genannten aktuellen Vorkommen. Leider sind inzwischen einige - auch landesweit gefährdete - Brutvogelarten hier ausgestorben. Bis in die 1960er-Jahre war der Steppachsee Mittelpunkt einer kleinen Grauammer-Population. Noch 1962 stellte der engere Seenbereich auch das letzte Brutrevier des Raubwürgers auf den Fildern dar (siehe HÖLZINGER: Die Vögel Baden-Württembergs, Band 3.2, Singvögel 2).

2. Das Fledermaus-Vorkommen

Der Luftraum über dem See und die nähere Umgebung sind ein bekanntes Jagdgebiet heimischer Fledermaus-Arten.

Die häufigste vorkommende Art stellt der Große Abendsegler dar, der im Spätsommer bzw. Frühherbst schon mit bis zu 20 jagenden Tieren am See gezählt wurde. Bereits 1987 wurde in einer Experten-Untersuchung durch KINDERMANN, W. & P. QUETZ im Auftrag der Stadt Filderstadt festgestellt: "Das bedeutendste Jagdgebiet des Abendseglers auf der Gemarkung, bezogen auf die max. Anzahl jagender Tiere, ist mit Abstand der Flughafensee." Diese baumbewohnende Fledermausart fliegt bereits kurz vor oder kurz nach Sonnenuntergang aus und jagt meist in Wipfelhöhe und darüber. Mit einer Flügelspannweite von etwa 36 cm ist der Abendsegler unsere grösste Fledermausart. Das Fell ist gelblich- bis rostbraun gefärbt.

Die Zwergfledermaus kommt - nach Beobachtungen örtlicher Kartierer - am Steppach-Stausee vereinzelt, aber regelmäßig vor. Mit ca. 19 cm Spannweite ist sie die kleinste einheimische Art, die erst ca. eine Viertelstunde nach Sonnenuntergang ausfliegt und meist in Strauchhöhe jagt. Zweimal wurde auch ein Vorkommen der Rauhhautfledermaus am Stausee gemeldet. Diese Zwillings-Art der Zwergfledermaus wurde bei der Insektenjagd direkt über der Wasserfläche gesichtet.

3. Die Amphibienwelt

Durch Bestandsaufnahmen der Biotopkartiergruppe in den Jahren 1997 und 1998 wurde belegt, dass das Gebiet am Steppach-Stausee von folgenden Amphibienarten bewohnt wird:

Die bräunliche Erdkröte ist eine der häufigsten Amphibienarten der Filder. Sie nutzt in der Regel jenes Gewässer als Laichplatz, wo sie ursprünglich selbst "geboren" wurde. Um dahin zu gelangen, legt sie die bekannten, oft kilometerlangen "Krötenwanderungen" zurück. Zur Fortpflanzung werden keine Laichballen, sondern schwarze Laichschnüre an Wasserpflanzen "geheftet". Auch die Färbung des Grasfroschs enthält viele Brauntöne. Sehr früh - oft bereits Ende Februar - legt er seine Laichballen im seichten Wasser ab; größere Ansammlungen bilden einen regelrechten Laich-"Teppich". Danach verlassen die Alttiere den Laichplatz und begeben sich in ihren Landlebensraum. Erdkröte und Grasfrosch kommen zum Ablaichen an den flacheren Seitentümpel, der sich etwas versteckt im nördlichen Ufergebüsch befindet. Dort wurden Tausende von Larven beider Arten über Wochen hinweg gesehen. Allerdings ist dieser Tümpel nach länger andauernden Trockenperioden von akuter Austrocknung bedroht.

Der Seefrosch ist mit bis zu 12 cm Größe die größte sogenannte Grünfrosch-Art; daneben fällt die sehr laute, keckernde Rufserie auf. Am Stausee wurden bis zu 10 gleichzeitig rufende Seefrösche gehört, die sich vor allem am Ost- und Westufer des Sees aufhalten. Hier am Steppach-Stausee befindet sich der einzige Lebensraum dieser Froschart auf Filderstädter Gemarkung. - Zu vermuten ist, dass mit dem etwas kleineren Teich- bzw. Wasserfrosch eine weitere Grünfrosch-Art dieses Gewässer bewohnt; ihr Vorkommen ist allerdings nicht eindeutig belegt.

Bedanken möchte ich mich an dieser Stelle bei den Herren Peter Endl, Thomas Krämer, Gunter Matthäus, Manuel Werner und insbesondere Heinrich Rademacher für die Übermittlung von Beobachtungsdaten bzw. für ihre Beratung und Unterstützung.


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