Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1999/2000


Die Goldammer - Vogel des Jahres 1999 -
und ihr Vorkommen in Filderstadt

Eberhard Mayer
Biotopkartierer Filderstadt

Wer wohnt in Filderstadt, singt lieblich und sieht goldig aus?

Nein - es ist nicht das kleine, blonde Mädchen aus der Nachbarschaft gemeint. Wir sprechen von einer auch auf den Fildern heimischen Vogelart, die zum Jahresvogel 1999 auserwählt wurde: die Goldammer, bei uns auch als "Gelb-Emerz" oder "Goldbäckchen" sowie in anderen Gegenden Deutschlands als "Bauernkanari" bekannt.

Warum Jahresvogel ?

Warum hat der Naturschutzbund Deutschland (NABU) ausgerechnet diese Vogelart nominiert, wo doch die Goldammer in Deutschland noch weit verbreitet ist und auch auf den Fildern noch nicht gefährdet erscheint?
Der NABU möchte mit dieser Wahl darauf aufmerksam machen, dass der Erhalt einer abwechslungs- und strukturreichen (Kultur-) Landschaft Voraussetzung dafür ist, dass die Goldammer und andere Vogelarten, z.B. auch die Grasmücken und der Neuntöter, noch einen ausreichenden Lebensraum bei uns finden.

Wie erkennen wir die Goldammer?

Für den aufmerksamen Beobachter ist es relativ leicht, die gut sperlingsgroße Goldammer zu erkennen:

Färbung/Gefieder:
Das Männchen ist an Kopf und Unterseite leuchtend gelb gefärbt; Brust und Flanken sind bräunlich gestreift. Das Weibchen ist deutlich blasser gelbgrün gefärbt und stärker gestreift. Beide Geschlechter besitzen einen auffälligen rostbraunen Bürzel sowie einen langen, dunklen Schwanz mit weißem Außenrand.

Gesang/Ruf:
Der liebliche, leicht wehmütige Gesang des Männchens ist unverwechselbar mit einem gedehnten Schlußelement ("zizizizizi-zi-düü"), das allerdings manchmal auch weggelassen wird. Im Volksmund wurde daraus ein "wie wie wie hab ich dich so lieb". Als Ruf hört man meist ein kurzes "zick"; beim Abflug trillerartige Töne.

Verhalten:
Goldammern sind wenig scheu. Meist sitzen sie auf hoher Warte, also exponiert auf den Spitzen von Sträuchern, Bäumen, Ästen und Leitungen. Bei Annäherung fliegen sie erst spät, also mit niedriger Fluchtdistanz, weiter. Außerhalb der Brutzeit ziehen Goldammern in mehr oder weniger großen Gruppen umher.

Weitere Merkmale

Neben den oben genannten, typischen Erkennungszeichen umfasst der "Steckbrief" zur Goldammer folgende weitere Merkmale:

Familie/Status:
Die Goldammer gehört zur Familie der Ammern, einer finkenähnlichen Gruppe mit kräftigem, für den Körnerfraß geeigneten Schnabel. Die meisten Vögel sind ganzjährig bei uns anwesend; nur wenige Exemplare ziehen in strengen Wintern kurzzeitig in etwas wärmere Gefilde.

Nahrung:
Im Frühjahr und Sommer ernähren sich Goldammern überwiegend von Insekten, Spinnen und ähnlichen Kleintieren. In der kälteren Jahreszeit stehen vor allem Körner, Sämereien und Knospen auf dem Speisezettel; auch Dreschplätze und Futterstellen werden besucht.

Fortpflanzung:
Zwischen April und Juni finden 1 - 2 Bruten mit Gelegen von jeweils 4 - 5 Eiern statt. Nach etwa zweiwöchiger Brutdauer benötigen die Nestlinge weitere 12 - 14 Tage, bevor sie flügge werden. Das Nest der Goldammer finden wir am Boden oder in Bodennähe, unter Vegetation versteckt.

Ansprüche an den Lebensraum

Auf unserer Gemarkung kommt die Goldammer überall dort vor, wo in der Kulturlandschaft Hecken, Sträucher und nicht zu dichter Baumbestand vorhanden sind. Man bezeichnet diesen Lebensraum als offenen bis halboffenen Landschaftstyp.

Auf den Fildern trifft dies vor allem auf folgende Biotopstrukturen zu:

1. Agrarlandschaft mit Feldgehölzen
2. Gewässerränder in der offenen Feldflur
3. Gebüsche, Hecken und Heideflächen
4. Randzonen von Streuobstwiesen und Baumreihen
5. Deponieflächen
6. seltener am Waldrand und auf Lichtungen.

Aus obiger Aufstellung zeigt sich deutlich, daß die Goldammer auch in Filderstadt ein typischer Bewohner sogenannter Saumbiotope ist. Sie kommt nicht oder nur selten in fast ausgeräumter Feldflur oder verdichteten Siedlungsgebieten vor; vielmehr benötigt sie die genannten Gehölzstrukturen und Randzonen, um eine gewisse Bestandsdichte während der Brutzeit (Frühjahr / Sommer) zu erreichen. Im Herbst und Winter ziehen dagegen Goldammern gesellig umher: auf abgeernteten Gemüseanbauflächen, Stoppelfeldern und Brachen kann man die Vögel in kleineren und größeren Trupps und Schwärmen bei der Nahrungssuche beobachten. Bei Schneelagen trifft man sie auch in der Nähe von Gehöften, Misthäufen und Futterstellen an. An Futterplätzen des Rebhuhns in Sielmingen habe ich schon Ansammlungen von 80 und mehr Goldammern zählen können!

Vorkommen und Bestand der Goldammer auf den Fildern

Im Rahmen langjähriger Beobachtungen der Vogelwelt auf der Filderstädter Gemarkung kartierte ich die Goldammer in den untenstehenden Biotop-Typen und Gewannen. Neben dem Vorkommen in den verschiedenen Gebieten werden auch Aussagen zum Bestand an Brutpaaren und zur Siedlungsdichte gemacht. Dabei gelten folgende methodische Festlegungen:

Anzahl Brutpaare (BP): BP je 10 ha / je km:
ermittelt aus der Anzahl singender Männchen während       Siedlungsdichte als Vergleichswert, errechnet als Anzahl
der Hauptbrutzeit (April bis Juni) sowie aus Brutpaare (BP) je 10 Hektar Fläche oder je 1 km Länge.
Nestplatzbeobachtungen (Gelege, Fütterungen) Allgemein wird von einer "guten" Siedlungsdichte
  gesprochen, wenn ein Wert von 3 - 5 Brutpaaren je 10
  Hektar Fläche oder je Kilometer (Gehölz-)Länge erreicht wird.

1. Agrarlandschaft mit Feldgehölzen

Im Rahmen der Feldflurkartierung - mit Schwerpunkt zwischen 1995 und 1997 - wurde die Goldammer in allen 10 Untersuchungsflächen als Brutvogel nachgewiesen:

Gebiet / Gewann Ortsteil
Anzahl Brutpaare
Fläche in Hektar
Brutpaare je 10 ha
Stetter Weg, Augenloch, Schwendenfeld, Horber Weg, Wolfschlugen, Achgraben, Emerland Bernhausen/ Sielmingen
17
195
0,87
Esslinger Weg, Lache, Gebsenwiesen, Hummelberg, Neuhäuser Bach, Köller, Kirchenäcker Bernhausen/ Sielmingen
10
193
0,52
Fürhaupt, Lehen, Hofwiesen, Letten, Bühl, Holder-/Grabenäcker, Hagnachfeld, Rohrbach Sielmingen
6
126
0,48
Wieslenberg, Stützenäcker, Heidenfeld, Zuckmantel, Hüttenweg, Brandfeld, Pfefferäcker,Sol, Lache Sielmingen
9
291
0,31
Leerer Sack, Weiher, Hirtenbäumle Sielmingen/ Harthausen
5
75
0,67
Weilenweg, Mühlweg, Brühl, Unter der Straße Harthausen
3
73
0,41
Brandfeld, Käppellesäcker, Äuenried Bonlanden
5
77
0,65
Grötzinger Weg, Lohreihen, Bühlerfeld, Gastäcker, Sauäcker, Stützenäcker Bonlanden
5
93
0,54
Zeil-/ Seeäcker, Holderbüschle, Rotfeld, Dachtgraben, Oberer / Unterer Rauhen, Köllneren Plattenhardt/ Bonlanden
5
108
0,46
Furt-, Hof-, Schiller- und Schelmenäcker, Unterer Horb, Scherlach Plattenhardt
10
106
0,94

Obwohl in den obigen Bestandszahlen das gesamte Vorkommen der Goldammer im Gebiet, also z.B. an sämtlichen Hecken, Gebüsch, Aussiedlerhöfen, Baumreihen und an den unten nochmals separat ausgewiesenen Gewässerrandstreifen enthalten ist, wird nirgends in der Agrarlandschaft eine Siedlungsdichte von 1 Brutpaar je 10 Hektar erreicht! - Übrigens: Pflanz- und Baumschulen in der Feldflur werden als "Heckenersatz" durch die Goldammer sehr gerne angenommen.

2. Gewässerränder in der offenen Feldflur

Entlang der Randstreifen von Fließ- und Stillgewässern, die meist mit Stauden, Sträuchern und Bäumen bewachsen sind, finden sich gute Lebensräume vor allem in der offenen Feldflur. An folgenden Filderstädter Gewässern wurden Goldammer-Vorkommen festgestellt (gezählt wurde nur außerörtlich und ohne Waldabschnitte) :

Gewässer (nur außerörtliche Abschnitte) Ortsteil
Anzahl Brutpaare
Länge in Meter
Brutpaare je km
Rohrgraben / Waagenbach Bernhausen
3
1.200 m
2,50
Katzenbach und Neuhäuser Bach Bernhausen
5
2.400 m
2,08
Fleinsbach mit Zuflüssen (Höfer Brühl-Bach und Gräben in Hofwiesen/Bühl) Bernhausen/ Sielmingen
8
2.250 m
3,56
Unterer Bach mit Zuflüssen (Schwendenbach, Achgraben) Bernhausen/ Plattenhardt
9
2.900 m
3,10
Rohrbach (wenig Gebüsch!) Sielmingen
1
1.000 m
1,00
Reutewiesenbach Plattenhardt
1
700 m
1,43
Bombach mit Zuflüssen (Schlattgraben usw.) Bonlanden/ Plattenhardt
5
2.350 m
2,13
Weiherbach Harthausen
2
1.000 m
2,00
Reichenbach Plattenhardt
1
700 m
1,43
Steppach-Stausee (Ufergebüsch beidseitig) Bernhausen
2
400 m
5,00

3. Gebüsche, Hecken und Heideflächen

Herausragend ist hier die relativ hohe Siedlungsdichte an der Scherlachhecke, wo regelmäßig 5 - 6 Brutpaare vorkommen. Auch in der Hecken-Hanglage des Sandbühls und der Gutenhalde brütet in etwa die gleiche Anzahl Goldammern. Regelmäßige gute Vorkommen gibt es auch in den beiden Heideflächen ("Haberschlai" / Bonlanden und "Auf der Heid" / Plattenhardt).

Gebiet / Gewann Ortsteil
Anzahl Brutpaare
Km-Länge oder ha-Fläche
BP je Km oder
je 10 ha
Scherlachhecke Plattenhardt
6
1 Km
6,00
Sandbühl / Gutenhalde Bonlanden
6
13 ha
4,62
Haberschlai-Heide Bonlanden
2
4 ha
5,00
Auf der Heid (beim Altenheim St. Vinzenz) Plattenhardt
2
3,5 ha
5,71

4. Streuobstwiesen

Hier bewohnt die Goldammer vor allem die Randzonen hin zur Offenlandschaft (Agrarflächen) sowie eingestreute, kleinere Hecken, Gebüsch und Kleingärten. Die bedeutendsten Streuobstwiesengebiete Filderstadts weisen folgende Vorkommen auf:

Gebiet / Gewann Ortsteil
Anzahl Brutpaare
Fläche in Hektar
Brutpaare je 10 ha
Emerland / Lechfeld Bernhausen
4
50
0,80
Herrenholz / Egerten / Aicher Weg Bonlanden
4
25
1,60
Bergäcker Harthausen
2
13
1,54
Lachenwiesen Sielm./Hart.
3
16
1,88
Rohrbach / Weiler / Halde / Rötlen Sielmingen
7
35
2,00
Hebberg / Neugreut / Löhle / Scherlach Plattenhardt
7
42
1,67

5. Deponieflächen

Auf den noch in Betrieb befindlichen oder ehemaligen Deponieflächen bewohnt die Goldammer die Gebüschzonen und die Aufforstungsflächen, soweit der Baumbestand noch nicht zu dicht oder zu hoch ist. Als die Mülldeponie Ramsklinge bis ins Jahr 1994 noch in Betrieb war, hielten sich immer 2 - 3 Brutpaare auf dem Gelände auf. Nach 1994 wurde der Betrieb aufgegeben, die Oberfläche der Deponie mit Folien abgedeckt und der Gebüschbestand reduziert; damit ging auch der Brutbestand der Goldammer auf 1 Paar zurück.

Deponiefläche Ortsteil
Anzahl Brutpaare
Fläche in Hektar
Brutpaare je 10 ha
Erddeponie 'Eichholz' Bonlanden
2
7
2,86
Ehemalige Mülldeponie 'Ramsklinge' Bernhausen
1
10
1,00

6. Waldränder und Lichtungen

Die Goldammer kommt bei uns am Waldrand, auf Lichtungen, Windwurfflächen, Aufforstungen und Schonungen nur vereinzelt vor. Voraussetzung dazu ist i.d.R. ein "abgestufter" Waldrand mit vorgelagerten Hecken oder Gebüsch; bei den Waldflächen ein junger, nicht allzu hoher oder nur vereinzelter Baumbestand.
Im Filderstädter Wald wurde die Goldammer nur in geringer Zahl (was im Gegensatz zum Landestrend steht!) an folgenden Stellen angetroffen:

Waldabteilung Ortsteil
Kiefernschonung 'Ramsklinge' (Aufforstung) Bernhausen
Waldrand und Aufforstung 'Eichholz' Bonlanden
Waldrand 'Uhlberghalde' Bonlanden
Waldrand und Aufforstung 'Wolfsklinge' Bonlanden
Waldrand 'Mahdenhau' Bonlanden
Waldrand und Windwurffläche 'Weilerhau' Plattenhardt
Waldrand 'Reichenbachtal' Plattenhardt

Fazit und Zusammenfassung

Über die gesamte Gemarkung und räumlich betrachtet, kommt die Goldammer in Filderstadt noch recht verbreitet vor. Die Siedlungsdichte ist allerdings zumeist bescheiden: geht man davon aus, daß bei "guter" Dichte 3 - 5 Brutpaare je 10 Hektar Fläche vorhanden sein müssen, dann erfüllen nur sehr wenige Gebiete in Filderstadt diese Voraussetzungen. Die relativ besten Siedlungsdichten werden an der Scherlachhecke, an den beiden Heideflächen (Haberschlai und St.Vinzenz) und am Steppach-Stausee erreicht, wobei die letztgenannten Gebiete allerdings kleinflächige Biotope darstellen. Zufriedenstellend ist das Vorkommen auch noch entlang der Gewässerrandstreifen, während in den großflächigen Agrarlandschaften nur noch eine schwache Siedlungsdichte vorhanden ist. Hier scheint sich - wie landesweit - die intensiv betriebene Landwirtschaft als negativer Faktor zu bestätigen.

Was kann zum Schutz der Goldammer getan werden?
Nur wenn wir Hecken und Sträucher, Obstgärten und Streuobstwiesen, Acker- und Gewässerrandstreifen, Gebüsch und Baumreihen, Lichtungen und gestufte Waldränder fördern und erhalten, haben Goldammer & Co. zukünftig eine Überlebenschance. Dasselbe gilt übrigens nicht nur für diese und andere Vogelarten, sondern in gleichem Maße für eine vielfältige Pflanzenwelt und - in der Folge davon - auch für andere Tierarten: vor allem für Insekten, Amphibien, Reptilien und Kleinsäuger.


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