Filderstädter Mitteilungen aus Umwelt- und Naturschutz 1992


Hornissen - zu Unrecht verfolgt

Andrea Weber
Umweltschutzreferat der Stadt Filderstadt

"Drei Stiche töten einen Menschen, sieben Stiche ein Pferd." Diesen Spruch hört man immer wieder und aus dieser Fehldiagnose wird die Berechtigung abgeleitet, unbarmherzig mit der chemischen Keule gegen die Vespa crabro - der lateinische Name der Hornisse - und ihre Schwestern aus der Familie der sozialen Faltenwespen, vorzugehen.

Tatsächlich aber sind Hornissen wesentlich scheuer und berechenbarer als Honigbienen oder Wespen.

Bei Versuchen des Berliner Zoologen H. Kulike hat sich herausgestellt, daß über tausend Hornissenstiche auf einmal nötig wären, um einen 70 kg schweren Menschen in Lebensgefahr zu bringen. Natürlich ist dies nicht auf Allergiker übertragbar. Bei einem Menschen, der allergisch auf Wespen- bzw. Hornissengift reagiert, kann schon ein Stich sehr gefährlich sein.

Da die maximale Stärke eines Volkes zwischen 200 und 600 Individuen liegt, kann man davon ausgehen, daß ein gesunder Mensch keine ernsthaften Schäden davontragen wird. Die Stiche können zwar sehr schmerzhaft sein, aber Kühlung, das Aussaugen der Einstichstelle oder Auflegen von Zwiebeln verschaffen eine rasche Linderung.

Verteidigung ihres Volkes

Außerhalb ihres Nestbereichs werden Hornissen Störungen immer durch ihre Flucht begegnen und keinesfalls agressiv reagieren.

Innerhalb ihres Nestbereichs werden Hornissen jedoch gegen Eindringlinge oder Störenfriede tätig. Dies ist auch ganz normal, da jedes Tier oder Insekt seine Jungen oder Brut verteidigenwill.

Um die Hornissen nicht zu reizen, sollte man möglichst einen Sicherheitsabstand von 3 - 4 Meter um den Nestbereich einhalten. Auch auf Lärm, bzw. Schwingungen können Hornissen empfindlich reagieren. Man sollte also nicht in der unmittelbaren Nähe des Nestbereichs Rasen mähen, bohren oder sonstige laute Tätigkeiten verrichten.

Das Zustellen der Einflugschneise oder das Hineinatmen in ein Hornissennest sollten auch unterbleiben, genausowenig sollten Sie nicht versuchen, das Hornissennest mit Erde oder sonstigem Material zu bewerten.

Hornissen übernehmen eine regulierende Rolle im Naturhaushalt

Der Umgang mit Hornissen ist jedoch nicht nur mit Vorsicht oder Angst verbunden. Wenn Sie der Hornisse ihren Platz in Ihrem Garten, Gartenhäuschen, Obstbaum oder Dachboden belassen, wird sie sich auf ihre Weise erkenntlich zeigen;

Die drei bis vier Zentimeter großen Insekten übernehmen im Naturhaushalt eine wichtige regulierende Funktion. Denn zu ihren Beutetieren, die sie an ihre Larven verfüttern, gehören eine Vielzahl von Obstbaum- und Forstschädlingen.

So fängt ein Hornissenvolk täglich bis zu einem Pfund Insekten - was einem Tagespensum von fünf bis sechs Meisenpaaren entspricht l Zu den erbeuteten Tieren gehören u. a. Spinnen, Läuse, Wespen (l), Schnaken, alle Arten von Fliegen und Raupen, etc. um nur einen Auszug zu nennen. Die Hornissen füttern ihre Brut jedoch nicht mit Aas, was hin und wieder behauptet wird.

Die Hornissen benötigen zur Abdeckung ihres' eigenen Kohlehydratbedarfs (Flugbenzin) Kohlehydrate in Form von Baumsäften (das sogenannte "Ringeln"). Bevorzugt werden Säfte von Eichen, Eschen und Birken, aber auch von Weiden, Erlen, Pappeln, Flieder und Birnbäumen aufgenommen.

Bei verschiedenen blühenden Sträuchern, wie beispielsweise Berberitze, Faulbaun und Cotoneasterarten können die Hornissen aber auch Nektar tanken. Im Herbst wenden sie sich manchmal auch Fallobst von Äpfeln oder Birnen zu. Hierbei entsteht keinerlei Schaden für Obstbauern.

Beschreibung der Hornisse und ihres Lebenszyklus

Die Hornisse wird wie bereits beschrieben, drei bis vier Zentimeter lang und ist damit das größte staatenbildende Insekt Mitteleuropas. Das Hornissenvolk besteht aus einer Königin, unzähligen Arbeiterinnen und gegen Ende des Lebenszyklus eines Volks aus Drohnen und Jungköniginnen.

Der Lebensraum der Hornisse

Der Lebensraum der Hornissen befindet sich ursprünglich in artenreichen Mischwäldern, Auwäldern und auch parkähnlichen Landschaften mit Eichen, Eschen und Birken. Auch die bei uns anzutreffenden Streuobstwiesen stellen bevorzugte Hör nissenbiotope dar. Gelegentlich nisten Hornissen sogar in der Erde in verlasse' nen Mäuselöchern, bevorzugt an trockenen Südhängen.

Der Lebenszyklus der Hornisse

Der Lebenszyklus eines Hornissenstaates beginnt, im Frühjahr.

Die überwinterten und im Herbst des Vorjahres begatteten Hornissenköniginnen die nicht Spechten, Spitzmäusen oder Pilzkrankheiten zum Opfer gefallen sind machen sich im Frühjahr etwa ab Anfang Mai, wenn genügend hohe Tagestemperaturen herrschen, daran, einen neuen Staat aufzubauen.

Zuerst erkunden die "neuen" Königinnen die, Gegend. Wenn sie ein geeignetes Quartier gefunden haben, beginnen sie mit der Grundstocklegung des Nestes, sozusagen dem ersten Spatenstich.

Holz - der Grundstoff für das Nest

Den Grundstoff für die Hornissenbauten liefert morsches Holz. Das Lignin, der Holzstoff, muß aus dem Holz jedoch herausgewittert sein; nur die weiche Zellulose benötigen die Hornissen. Von solchen morschen Holzstücken beißen die Hornissen mit ihren kräftigen Mandibeln Splitter um Splitter ab und vermischen sie mit Speichel. Die Masse wird dann kräftig durchgekaut und zu einem Kügelchen geformt. Hat ein Tier genügend Material gesammelt, fliegt es zum Nest und baut das mitgebrachte Material ein. Als Klebstoff dient der Speichel der Hornissen.

Pro Flug wird eine Materialmenge befördert, die einen Streifen von 30-50 mm Länge und 3-5 mm Breite aufweist.

Der Nestbau kann beginnen

Die Königin heftet zunächst einen kleinen Stiel, den sie aus eingetragenem Baumaterial herstellt, an der Decke der Nisthöhle an. Sie formt dann dessen Ende zu den ersten beiden Wabenzellen aus. Die Zellöffnung zeigt stets nach unten. An die ersten zwei Zellen werden von der Königin fortlaufend weitere angebaut.

Die Wabenzellen werden von der Königin bestiftet, d. h. sie legt Eier in die Wabenzellen. Bis die ersten Arbeiterinnen geschlüpft sind, führt sie den Wabenbau weiterhin selber durch.

So entstehen ca. 40 - 50 Zellen.

Die Entwicklung der Larven

Die Entwicklung der Eier ist abhängig von der Temperatur, die herrscht. Nach fünf bis acht Tagen entwickelt sich aus dem Ei eine kleine Larve von zunächst ungefähr ein bis zwei Millimeter Länge.

Diese Larve durchläuft innerhalb der kommenden 12 - 14 Tagen ihre fünf Larvenstadien. Die Larven werden anfangs durch ein klebriges Sekret in ihren Zellen festgehalten, später verhindert ihre Körperfülle ein Herausfallen. Schließlich produziert die Larve aus einer speziellen Drüse einen feinen Seidenfaden und spinnt damit einen Deckel über sich. So geschützt entwickelt sich im Laufe der nächsten 13 - 15 Tagen die Hornisse.

Die Hornisse durchbeißt ohne fremde Hilfe ihren Zelldeckel und schlüpft dann aus. Die Jungtiere fliegen dann nach zwei bis drei Tagen zum ersten Mal aus.

Die Königin baut also anfangs ganz alleine die ersten Wabenzellen, pflegt und füttert die erste Generation der Arbeiterinnen heran.

Der Bau einer Schutzhülle

Da es bei der Koloniegründung häufig noch recht kühl ist, baut die Königin eine kugelförmige Schutzhülle um die Anfangswabe.

Diese Schutzhülle hilft der Königin die Brut zu wärmen.

Nachdem nun die ersten fünf bis zehn Arbeiterinnen geschlüpft sind, verlegt sich die Königin ausschließlich auf das Eierlegen, bzw. Bestiften der Wabenzellen.

Steuerung der Entwicklung zu Arbeiterinnen oder Geschlechtstieren

Interessant ist, daß die Königin durch ihr Verhalten und durch chemische Botenstoffe steuern kann, ob aus dem Ei später eine Arbeiterin, Jungkönigin oder ein männlicher Drohn entsteht.

Durch Zugabe von Spermien, die die Königin in einer speziellen Ausbuchtung gespeichert hat, entstehen Arbeiterinnen oder Jungköniginnen.

Ohne Zugabe von Spermien werden Drohnen, die übrigens stechunfähig sind, gebildet.

Fortschreitung des Hornissenbaus

Der Wabenbau wird nun von den Arbeiterinnen vorgenommen, ebenso die Pflege und das Füttern der Larven. Diese kratzen mit ihren Kiefernzangen an den Zellwänden, um ihren Hunger deutlich zu machen. Man nennt dies auch "Hungerkratzen".

Etwa ab der fünften Wabenzelle, meist Mitte Juli, beginnen die Arbeiterinnen mit der Anlage von Großzellen für die Geschlechtstiere, also für die Jungköniginnen und Drohnen.

Der Höhepunkt des Hornissenstaates

Mitte August bis Mitte September hat der Hornissenstaat seinen Höhepunkt erreicht. Nach und nach schlüpfen die ersten Geschlechtstiere.

Die alte Königin verläßt schließlich im Laufe des Oktobers das Nest oder versteckt sich in den Lufttaschen der Nesthülle. Sie hat nun ihre Funktion zur Fortpflanzung und Erhaltung ihrer Art erfüllt.

Die Geschlechtstiere werden von den Arbeiterinnen gefüttert.

Vor allem die Jungköniginnen brauchen ein genügend dickes Fettpolster, um den nahenden Winter zu überstehen.

Der Hochzeitsflug

Im Laufe des Oktobers gehen die Jungköniginnen mit den Drohnen auf Hochzeitsflug. Anschließend suchen sich die Jungköniginnen ein geeignetes Winterquartier, unter morschen Holz, Rinde,...

Die alte Königin, Arbeiterinnen, Drohnen und noch nicht geschlüpften Larven sterben ab. Ende Oktober ist das Hornissennest leer. Ein Zyklus ist beendet.

Umsiedlung von Hornissenvölkern

Da der natürliche Lebensraum häufig fehlt, suchen die Hornissen einen ähnlichen Lebensraum im Siedlungsbereich zu finden. Dies bedeutet, daß sie sich oft in Rolladenkästen, Dachböden, Gartenhäuschen u. ä. niederlassen, um einen Staat zu bilden.

Wenn Sie ein Hornissenvolk in Ihrer Umgebung feststellen, können Sie sich an verschiedene Stellen wenden, bei denen Sie Informationen erhalten können.

Diese Stellen sind: die zuständige Untere Naturschutzbehörde beim Landratsamt, die zuständige Obere Naturschutzbehörde beim Regierungspräsidium oder an die Stadt selbst.

Von allen drei Stellen können ihnen dann Fachleute vermittelt werden; ehrenamtlich tätige Hornissenumsiedler, die eine Ausnahmegenehmigung des Regierungspräsidiums besitzen. Ohne diese Ausnahmegenehmigung ist eine Umsiedlung ordnungswidrig. Die meisten Kammerjäger besitzen diese nicht.

Wenn wir nun als ehrenamtlich tätige Umsiedler an den Ort des Geschehens gerufen werden, stellen wir meistens fest, daß die Akzeptanz mit der Aufklärung über die Hornisse steigt.

Die Umsiedlung sieht folgendermaßen aus:

Je nach Standort des Hornissenvolkes muß zuerst das Nest freigelegt werden. Die Wabengassen werden vom Stiel, der wie bereits beschrieben die Konstruktion an der Decke usw. hält, abgetrennt.

Sehr wichtig ist die Königin. Diese muß unbedingt abgefangen werden, damit sie das Nest nicht verläßt. Ohne die Königin ist das Volk nicht mehr fähig. Jungköniginnen, und somit die Erhaltung der Art zu garantieren, zu produzieren.

In einen vorbereiteten Hornissenkasten werden die einzelnen Wabengassen mit einem Heißkleber eingeklebt.

Normalerweise läßt man den Hornissenkasten noch einige Tage am ursprünglichen Standort hängen, damit sich die Hornissen auf den Kasten einfliegen können. Bevor wir den Hornissenkasten in den neuen Lebensraum bringen können, müssen wir sämtliche Arbeiterinnen abfangen und in den Kasten hineinlotsen.

Der Kasten muß in einer Entfernung von mindestens zwei Kilometern vom alten Standort entfernt, aufgehängt werden. Würden wir dies nicht tun, bestände die Möglichkeit, daß die Hornissen zum alten Standort zurückfliegen.

Filialbildungen

Häufig erhalten wir auch Anrufe, bei denen Bürgerinnen oder Bürger plötzlich Hornissen feststellen. Dies ist meist die sogenannte "Filialbildung". Wenn dem Hornissenvolk der Platz an ihrem Standort zu klein wird, machen sie sich auf, um einen geeigneteren Standort zu suchen.

Wenn sie einen geeigneten Standort gefunden haben, beginnen Arbeiterinnen mit dem Bau des "Filialnestes". Später fliegt die Königin der Filiale zu, mitunter erscheint sie aber auch schon mit den ersten Arbeiterinnen am neuen Nistplatz.

Das ganze Volk zieht nach und nach um. Ein Teil des Volkes versorgt das neue Nest, der andere Teil versorgt die noch nicht geschlüpften Larven am alten Standort. Sind die letzten Larven geschlüpft, wird das alte Nest verlassen.

Schutzstatus der Hornisse

Da die Hornisse in vielen Regionen der Bundesrepublik entweder sehr selten oder ganz verschwunden ist, wurde sie seit 01. Januar 1987 unter den besonderen Schutz der Bundesartenschutzverordnung gestellt, d. h. die Hornissen und ihre Brut dürfen nicht getötet und ihre Bauten nicht zerstört werden. Ordnungsstrafen bis zu 100.000 Mark sind möglich.

Finden Sie in oder an in Ihrem Gebäude ein Nest, sollten Sie es nach Möglichkeit dort belassen. Falls dies nicht möglich ist, können Sie sich an das Umweltschutzreferat der Stadt Filderstadt unter der Rufnummer 0711/70 03-649 wenden.

An dieser Stelle möchte ich auch noch auf ein Buch hinweisen, bei dem Interessierte ihr Wissen noch mehr vertiefen können:

"Schützt die Hornissen" von Robert Ripberger und Claus-Peter Hutter,
erschienen im Thienemanns Verlag Stuttgart.


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